Korl Becker ein “Ahrensböker Original”

Ein Ahrensböker »Original« wird 75

Korl Becker wurde er genannt. Er lebte seit vielen Jahren in Ahrensbök, war vielen Menschen bekannt und galt als »Original«. Anlässlich seines 75. Geburtstages hatte ein Freund für Korl, der eigentlich Karl Bütow heißt, folgende  Kurzbiographie geschrieben.

Irgendwann vor dem Krieg landete oder strandete in Ahrensbök ein Ortsfremder, ein junger Mann ohne Anhang, ohne Vermögen und ohne feste Absichten. Er erschien, war da und blieb. Warum er nach Waisenhaus und Tippelei ausgerechnet in Ahrensbök hängen blieb, weiß niemand, er selbst am allerwenigsten. Hier und da half er beim Dreschen und trieb auch einen kleinen ambulanten Handel mit Kurzwaren bei den umliegenden Bauern. Es kam der Krieg, Korl wurde Soldat. Kaum war der Krieg vorbei, war Korl ohne  große Blessuren auch schon wieder da. Weil er ebenso freundlich war wie die Kurzwaren knapp, wurde er meistens gerne gesehen. Über eine abgelegte Hose oder ein Paar alte Schuhe freute er sich ebenso wie über ein paar Kilo Schrott.  Bald fuhr er auch mit seinem Moped die Schuttkuhlen der Umgebung ab und fand überall noch etwas, womit man einige Pfennige oder auch Markstücke verdienen konnte. Jahrzehntelanges Zeitungsaustragen führte ihn in viele Häuser. Feste Arbeit lehnte er konsequent ab. Feste Zeiten, feste Vorschriften passen nicht in seine Philosophie. Wenn jemand wissen wollte, wann wer mit wem was getan hat, Korl wußte es. Und für einen Korn oder zwei sagte er es auch. Aber Korl kann auch schweigen… Natürlich schimpfte er auch über die Politiker. Und er, der Habenichts, hat schon manchem, der noch weniger hatte, etwas geliehen oder geschenkt. Er läßt niemanden verhungern. Und verdursten erst recht nicht! Und Geld für Vogelfutter hat er auch. Seine Wohnung ist ein Museum der Armut, vollgestopft mit Krimskrams. (»Das kann man alles noch gebrauchen.«) Aber von Armut will er nichts hören. Manche halten ihn für einen heimlichen Krösus. Davon will er erst recht nichts hören. »Aber Korl, von 400 Mark Rente kannst Du doch nicht Miete bezahlen und auch noch leben?« »Originalton Korl: »Du vielleicht nicht, ich aber ja.« Und dann grinst er und spricht vom Wetter. Wie gesagt: Schweigen kann er auch. Seitdem er kein Moped mehr fahren kann, macht Korl Becker Butterfahrten und fährt ein- zweimal im Jahr zu einem Freund nach Hamburg. Aber spätestens am zweiten Tag in Hamburg hat er Heimweh nach Ahrensbök, nach seinem Krimskrams und nach den Leuten, die ohne ihn vielleicht verdursten würden. Übrigens heißt der Jubilar eigentlich Karl Bütow. Wie er zu dem Beinamen Korl Becker gekommen ist, weiß er selbst nicht mehr. »Das ist schon seit 50 Jahren so.« Als ich ihn fragte, was er sich denn zu seinem Geburtstag wünsche, bekam ich zur Antwort: »Gar nichts! Ich habe 75 Jahre keinen Geburtstag gefeiert. Da werde ich die letzten 20, 25 Jahre doch nicht damit anfangen.« Aber ich bin sicher: Wer am Dienstag, dem 19. April, bei ihm klingelt, dem wird auch aufgetan. Abendgarderobe nicht erforderlich …

Korl Becker starb am 15. September 1988 im 76. Lebensjahr.